Kündigung trotz Laufzeit, was ein rechtlich ungültiger Vertrag auslösen kann
Ein aktueller Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden (Az. 5 U 2077/23) zeigt, wie fatal sich ein scheinbar kleiner Formfehler in einem Gewerbemietvertrag auswirken kann. Im konkreten Fall ging es um eine Versicherungsagentur, die seit 2003 Räume in Leipzig angemietet hatte. Der Mietvertrag wurde mehrfach ergänzt, war jedoch von Anfang an formunwirksam, da auf Vermieterseite nur ein Gesellschafter der GbR unterschrieben hatte, ohne einen sogenannten Vertretungszusatz, der die Mitverantwortung der übrigen Gesellschafter rechtlich klarstellt.
Spätere Nachtragsvereinbarungen konnten diesen ursprünglichen Fehler nicht heilen. Das Ergebnis: Der Mietvertrag galt als unbefristet abgeschlossen und konnte vom neuen Eigentümer unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden. Für den Mieter bedeutete das, dass er die Gewerberäume deutlich früher als gedacht verlassen musste, mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen.
Schriftform nach § 550 BGB: Mehr als nur eine Formalie
Der Fehler im Vertrag beruht auf einem Verstoß gegen die sogenannte gesetzliche Schriftform, geregelt in § 550 BGB. Diese Vorschrift schreibt vor, dass Mietverträge, die für länger als ein Jahr abgeschlossen werden, in schriftlicher Form erfolgen müssen. Und Schriftform bedeutet: beide Parteien müssen auf derselben Urkunde mit vollständiger Namensunterschrift unterzeichnen.
In Fällen einer formunwirksamen Vertragsschließung oder -änderung gilt der Vertrag laut Gesetz nicht als befristet, sondern als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Dadurch kann er jederzeit mit der gesetzlichen Kündigungsfrist gemäß § 580a BGB beendet werden, selbst wenn ursprünglich eine Laufzeit von mehreren Jahren vereinbart war.
Ab 2025: Schriftform wird durch Textform ersetzt, Risiko bleibt
Mit der gesetzlichen Reform zum 1. Januar 2025 ändert sich formal einiges: Für neu abgeschlossene Gewerberaummietverträge genügt künftig die Textform nach § 126b BGB. Die Hoffnung: mehr Flexibilität durch digitale Vertragsabschlüsse, etwa per E-Mail oder Tools wie DocuSign. Doch juristisch ändert sich am Grundproblem nichts – Formfehler führen weiterhin zur Unwirksamkeit der Befristung.
Was bedeutet Textform konkret?
Die Textform ist erfüllt, wenn eine Erklärung:
- lesbar ist,
- auf einem dauerhaften Datenträger festgehalten wird (z. B. E-Mail, PDF, Cloudspeicher),
- und die Person des Erklärenden eindeutig zugeordnet werden kann.
Eine digitale Unterschrift ist dabei nicht zwingend erforderlich. Es reicht grundsätzlich aus, wenn am Ende einer E-Mail etwa steht:
„Max Mustermann, Geschäftsführer Muster GmbH“.
Aber: Unklarheiten, fehlerhafte Dokumente oder fehlende Bezugnahmen auf frühere Vertragsbestandteile können auch bei Textform schnell zur Unwirksamkeit einzelner Vertragsinhalte oder des gesamten Vertrags führen.
Besonders riskant: Nachtragsvereinbarungen in Textform
Gerade Nachträge oder Änderungen bestehender Mietverträge bergen ab 2025 besondere Gefahren. Wenn etwa ein Mietvertrag 2024 noch in Schriftform abgeschlossen wurde und ein Nachtrag 2025 nur per E-Mail ohne klare Zuordnung erfolgt, kann dies den gesamten Vertrag gefährden.
Damit ein Nachtrag einen Formmangel heilt, muss er:
- schriftlich bzw. ab 2025 in Textform erfolgen,
- sich eindeutig auf den Ursprungsvertrag und alle vorherigen Nachträge beziehen,
- von allen Vertragsparteien nachvollziehbar und zuordenbar abgegeben werden.
Fehlt eine dieser Voraussetzungen, bleibt der Formfehler bestehen – und die Konsequenz ist erneut: Kündbarkeit trotz Vereinbarung einer festen Laufzeit.
Die Rechtsfolgen im Überblick: Wenn der Vertrag als unbefristet gilt
Wird ein eigentlich befristeter Mietvertrag wegen eines Formfehlers rechtlich als unbefristet angesehen, greifen die gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 580a BGB:
Der Vermieter kann mit einer Frist von 6 Monaten zum Quartalsende kündigen.
Solche Kündigungen sind vollkommen rechtens, auch wenn sich beide Parteien ursprünglich auf eine Laufzeit von 10 Jahren geeinigt haben. Für viele Unternehmer:innen bedeutet das natürlich ein existenzielles Risiko, z. B. durch Umzugskosten, Mietausfall, Kundenverlust oder Standortprobleme.
Fazit: Die Einhaltung der Form schützt beide Seiten, auch digital
Ob Schriftform bis Ende 2024 oder Textform ab 2025 – die formelle Absicherung eines Mietvertrags ist keine Nebensache, sondern ein zentrales rechtliches Schutzinstrument. Nur ein korrekt formulierter, ordnungsgemäß unterzeichneter und vollständig referenzierter Vertrag kann die gewünschte Planungssicherheit bieten, für Mieter und Vermieter gleichermaßen.
Gerade im Zuge der Digitalisierung sollten Vertragsparteien nicht dem Irrtum erliegen, dass „digital = unkompliziert“ bedeutet. Ein PDF ist noch kein Vertrag. Eine E-Mail ist kein Ersatz für eine saubere Dokumentation.
Was Sie jetzt tun sollten
Wenn Sie einen Mietvertrag abschließen, prüfen lassen oder ändern wollen, ob analog oder digital, dann lassen Sie ihn prüfen. Unsere Kanzlei unterstützt Sie dabei, Rechts- und Formfehler zu vermeiden, Nachträge korrekt zu gestalten und Ihre Mietverträge rechtssicher zu digitalisieren.
Wenn Sie Fragen hierzu haben oder rechtlich prüfen lassen möchten, welche Möglichkeiten Sie in Ihrem Fall haben, unterstützen wir Sie gerne.
RA Leon Kolz
