- März 2025 – AZ: XII ZB 88/24
Mit einem aktuellen Beschluss vom 5. März 2025 hat der Bundesgerichtshof eine bedeutsame Grundsatzentscheidung im Familienrecht getroffen. Die Karlsruher Richter stellten klar, dass Sorgerecht und Umgangsrecht zwei voneinander unabhängige Verfahrensgegenstände sind – und damit eine häufige Vermischung in der familiengerichtlichen Praxis unzulässig ist.
Kernaussagen der Entscheidung
- Strikte Trennung von Sorge- und Umgangsrecht
Der BGH betont, dass das Sorgerecht die rechtliche Befugnis umfasst, über die wesentlichen Lebensfragen eines Kindes zu entscheiden – etwa Schule, Wohnort oder medizinische Eingriffe.
Das Umgangsrecht regelt hingegen den persönlichen Kontakt und die praktische Betreuung.
Eine bestehende Umgangsregelung darf keinen Einfluss auf spätere Sorgerechtsentscheidungen haben. Gerichte müssen beide Bereiche getrennt prüfen.
- Umgangsregelung steht Sorgerechtsänderung nicht entgegen
Selbst eine gerichtlich gebilligte, umfangreiche Umgangsregelung kann eine spätere Änderung des Sorgerechts nicht blockieren. Maßgeblich ist allein, was dem Kindeswohl im Zeitpunkt der Entscheidung am besten entspricht.
- Korrekte Bewertung von Gutachten
Der BGH rügt das Vorgehen des OLG Frankfurt, das sich auf ein veraltetes und widersprüchliches psychologisches Gutachten stützte.
Gerichte dürfen Gutachten nicht selektiv verwerten, sondern müssen Widersprüche aufklären und aktuelle Erkenntnisse einbeziehen.
Eine bloße psychiatrische Diagnose rechtfertigt nicht automatisch den Entzug des Sorgerechts – entscheidend sind die konkreten Auswirkungen aufdas Kindeswohl.
- Pflicht zur erneuten Kindesanhörung
Da das betroffene Kind mittlerweile schulpflichtig ist, ordnete der BGH eine erneute persönliche Anhörung an. Der geäußerte Kindeswille ist ein zentrales Entscheidungskriterium und darf nicht aus älteren Verfahren übernommen werden.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung stärkt die Rechtsklarheit in hochstrittigen Kindschaftsverfahren. Für Familiengerichte bedeutet sie eine deutliche Mahnung, Sorgerechts- und Umgangsfragen getrennt zu behandeln und psychologische Gutachten sorgfältig zu würdigen.
Für Eltern schafft sie mehr Rechtssicherheit:
- Umgangsprobleme dürfen nicht automatisch zu Nachteilen im Sorgerechtsverfahren führen.
- Widersprüchliche Gutachten müssen überprüft und erläutert werden.
- Der Kindeswille ist stets individuell zu ermitteln.
Fazit
Der BGH setzt ein klares Signal:
Sorgerecht und Umgangsrecht sind eigenständige Bereiche des Familienrechts – und dürfen nicht vermischt werden. Damit stärkt das Gericht die Verfahrensgerechtigkeit und den Schutz des Kindeswohls.
Für getrennte Eltern bedeutet das Urteil mehr Transparenz, für Gerichte eine klare Linie – und für Anwälte eine verlässliche Grundlage, Mandanten differenziert zu beraten.
Wer sich in einem Sorgerechtsverfahren befindet oder bestehende Regelungen überprüfen möchte, sollte frühzeitig fachanwaltlichen Rat einholen.
Wir beraten Sie kompetent, sensibel und rechtssicher in allen Fragen rund um Sorgerecht, Umgang und Kindeswohl.
